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Schwangerschaftsabbruch zwischen Biopolitik und Selbstbestimmung – Eine feministisch-diskursanalytische Perspektive auf die parlamentarischen Debatten zur Änderung des §219a Strafgesetzbuch

Lisa Brünig

Volltext: PDF

Abstract


Zusammenfassung

22. März 2019 wurde das „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ vom Deutschen Bundestag beschlossen. Dieser Beitrag zeigt anhand der Betrachtung parlamentarischer Debatten zur Änderung des §219a StGB unter Berücksichtigung von historischen Kontinuitäten auf, wie staatliche Macht über gebärfähige Personen ausgeübt wird. Das Vorhaben wird als diskursanalytisch inspirierte Inhaltsanalyse mit machtkritischem und feministischem Anspruch bezeichnet und analysiert den parlamentarischen Diskursstrang anhand von Protokollen der Beratungen der Gesetzentwürfe im Bundestag und der Sitzungen im zuständigen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Auf Basis einer feministischen Perspektive und einem Foucaultschen Machtbegriff wird untersucht, wie um Deutungsmacht über Schwangerschaftsabbrüche gerungen wird. Anhand zwei zentraler Thesen wird aufgezeigt, dass im Diskurs Schwangeren durch bestimmte Argumentationslogiken seitens Sprecher*innen eine Mutterrolle zugeschrieben und gleichzeitig die Selbstbestimmung Schwangerer dem staatlichen Schutz des Fötus als ‚ungeborenes Leben‘ untergeordnet wird. Darüber hinaus wird herausgearbeitet, dass angesichts der paradoxen Gleichzeitigkeit von suggerierter Selbstbestimmung und staatlicher Kontrolle biopolitische Regulierungsmechanismen der generativen Reproduktion sichtbar werden. Letztlich kann so am Beispiel der Debatten aufgezeigt werden, wie gebärfähige Personen zum Gegenstand moderner patriarchaler Machtverhältnisse werden.

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Abortion between Biopolitics and Self-Determination – A Feminist Discourse-Analytical Perspective on the Parliamentary Debates on the Reform of §219a of the German Penal Code

Abstract

On 22nd of March 2019, the German Bundestag passed the “Law to improve information on abortion”. Based on the parliamentary debates on the reform of §219a German Penal Code and considering historical continuities, this article highlights how state power is applied upon childbearing people. The study can be described as a discourse-analytically inspired content analysis with a power-critical and feminist approach. It analyses the parliamentary discourse, using protocols of relevant debates in the Bundestag and meetings of the responsible Committee. With a feminist perspective and the Foucauldian concept of power, the project examines the struggle for interpretative power over abortion. Based on two central theses, it is argued that on the one hand pregnant people are attributed a mother role by certain argumentation logics of central speakers within the discourse. Thus, the self-determination of pregnant women is subordinated to the state protection of the fetus as ‘unborn life’. On the other hand, it is elaborated that the paradoxical simultaneity of suggested self-determination and state control alter the visibility of biopolitical regulation mechanisms towards generative reproduction. Ultimately, the debates can be used as an example to illustrate how childbearing people become the object of modern patriarchal power relations.

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Bibliographie: Brünig, Lisa: Schwangerschaftsabbruch zwischen Biopolitik und Selbstbestimmung – Eine feministisch-diskursanalytische Perspektive auf die parlamentarischen Debatten zur Änderung des §219a Strafgesetzbuch, Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 2-2020, S. 50-62.
https://doi.org/10.3224/feminapolitica.v29i2.05

Literaturhinweise