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Wandlungen des Liberalismus. Zum Zusammenhang von Herrschaftskritik und Theoriestruktur

Andreas Niederberger, Philipp Schink

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Abstract


Zusammenfassung

Jüngere Formen des (Neo-)Republikanismus fordern, die politische Theorie wieder stärker herrschaftskritisch auszurichten, und wenden sich damit vor allem auch gegen den klassischen Liberalismus. Dieser Artikel zeigt am Beispiel von John Stuart Mill zunächst, dass diese Diagnose fehlgeht. Insbesondere in Mills Schriften zur Geschlechterunterdrückung lässt sich nachzeichnen, dass in der „Erfindung“ des Liberalismus im 19. Jahrhundert tatsächlich Problemstellungen des historisch früheren Republikanismus aufgegriffen werden. Unter dem Eindruck der geänderten gesellschaftlich-politischen Verhältnisse sowie der neuen Perspektiven werden die republikanischen Ausgangspunkte allerdings korrigiert und weiterentwickelt. Über den Ansatz von Ronald Dworkin wird daran anschließend rekonstruiert, wie dieser die republikanisch-liberale Vorgehensweise zurückweist und den Liberalismus grundsätzlich neu bestimmt. Es kommt zum Übergang von einem Freiheits- zu einem Gleichheitsfokus, was wichtige Folgen für die gesellschaftlichen und politischen Phänomene und Konfliktlagen hat, die thematisiert werden können. Der dritte Abschnitt dieses Artikels fragt, ob es dem Neo-Republikanismus gelingt, normative Grundlagen und Herrschaftskritik wieder enger miteinander zu verbinden. Im Gegensatz zur Selbstwahrnehmung kehrt der Neo-Republikanismus aber in seiner Theoriestruktur nicht zum früheren Republikanismus zurück. Er verbleibt vielmehr in der Theoriestruktur des jüngeren Liberalismus und nimmt lediglich Veränderungen in den normativen Grundlagen vor, die politischen Institutionen größere Bedeutung zuweisen. Abschließend wird demgegenüber argumentiert, dass es sich lohnt, die Theoriestruktur aufzunehmen, die sich sowohl im Republikanismus wie auch im frühen Liberalismus findet und von minimalen normativen Überlegungen ausgehend mögliche Beherrschungsphänomene und –formen diskutiert.

Schlüsselwörter: John Stuart Mill, Ronald Dworkin, Philip Pettit, Geschlechterverhältnisse, Neo-Republikanismus

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Abstract

Recent versions of (neo-)republicanism call for political theory to focus more on the critical analysis of domination, which, it is argued, classical liberalism had forsaken. Using John Stuart Mill as an example, the present article first shows that this critical diagnosis of liberalism is mistaken. Especially in Mill’s writings on gender oppression one can observe that the “invention” of liberalism in the 19th century actually addresses problems of the historically earlier republicanism. Under the impression of the changed socio-political conditions and the new perspectives, however, the initial assumptions of the republicans are corrected and further developed. By drawing on the work of Ronald Dworkin the present article then demonstrates how he rejects the republican-liberal approach and how he fundamentally redefines liberalism. Dworkin argues for a transition from a focus on freedom to a focus on equality, and this has important consequences for the kind of social and political phenomena and conflict situations he can address. The third section of the article asks whether neo-republicanism succeeds in strengthening the link between normative foundations and the critique of power again. In contrast to its self-perception, however, neo-republicanism, in its theoretical structure, does not revert to earlier republicanism. Rather, it remains within the theoretical structure of recent liberalism and merely changes some of the normative foundations and, thus, assigns greater importance to political institutions. In conclusion, it is argued that it is worth taking up the theoretical structure found in both republicanism and early liberalism and discussing possible phenomena and forms of domination based on rather minimal normative considerations.

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Bibliographie: Niederberger, Andreas/Schink, Philipp: Wandlungen des Liberalismus. Zum Zusammenhang von Herrschaftskritik und Theoriestruktur, ZPTh – Zeitschrift für Politische Theorie, 2-2020, S. 191-206.
https://doi.org/10.3224/zpth.v11i2.02

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