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Die Gerechtigkeitsbewegung für die „Trostfrauen“ in intersektionaler postkolonialer Sicht

Ilse Lenz

Volltext: PDF

Abstract


Leseprobe

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Zusammenfassung

Die feministische Gerechtigkeitsbewegung für „Trostfrauen“ stellt ein internationales intersektionales Bündnis dar, in dem Feminist*innen aus den kolonisierten ostasiatischen Gesellschaften, aus denen die Opfer kamen, und der ehemaligen Kolonialmacht Japan erfolgreich zusammenarbeiten. „Trostfrauen“ wurden als sexuelle Zwangsarbeiterinnen für die Kaiserliche Japanische Armee im Asiatisch-Pazifischen Krieg Japans (1937-1945) eingesetzt. Während die Bewegung zunächst in Ostasien und auf der globalen Ebene der UNO mobilisierte, wurde sie später u.a. in Australien, den USA und in Deutschland aktiv. Sie bildet einen der größten und längsten globalen Ansätze feministischer Erinnerungsarbeit, ist aber in Deutschland kaum bekannt. Der Artikel untersucht die Gerechtigkeitsbewegung aus einer Perspektive prozessualer Intersektionalität. Sie gewann ihre Kraft und Legitimität auch daraus, dass sie die ihr innewohnenden intersektionalen Ungleichheiten reflektierte und bearbeitete. Das galt gleichermaßen für die Klassenunterschiede zwischen „Trostfrauen“ aus der Arbeiterschaft und intellektuellen Unterstützer*nnen vor Ort wie für die postkolonialen Machtverhältnisse zwischen Aktivist*nnen aus Japans Exkolonien und der ehemaligen Kolonialmacht. Sie entfaltete inklusive gleichheitliche Praktiken, die eine breite Beteiligung erlaubten. Leitend für das Bündnis war die Definitionsmacht der „Trostfrauen“. So ermöglichten die Zentrierung auf die „Trostfrauen“, die Reflektion der unterschiedlichen verstrickten Subjektpositionen und der Einsatz für das gemeinsame Anliegen eine langfristige, internationale Zusammenarbeit. Die Gerechtigkeitsbewegung entfaltete sich unterschiedlich im Südkorea, in Japan und in Deutschland. Dies zeigen drei Fallstudien, die die unterschiedliche postkoloniale Konstellation in Ostasien und Deutschland sowie die verschiedenen Akteursgruppen und Ansätze umreißen. Während sich die japanische Regierung einer angemessenen Entschuldigung verweigerte und rechte Bewegungen dagegen mobilisierten, konnte die Bewegung das kulturelle Gedächtnis in ihren Gesellschaften tiefgreifend beeinflussen.

Schlagwörter: intersektionale Solidarität, postkoloniale Gerechtigkeitsbewegung, transnationaler Feminismus, „Trostfrauen“, vergeschlechtlichte Gewalt / Krieg

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The Justice Movement for “Comfort Women” through an Intersectional Postcolonial Perspective

Summary

During the Asia Pacific War (1937-1945), the Japanese Imperial Army forced women in Japanese East Asian colonies to work as so-called “comfort women” (sex workers). The justice movement for these women is an international intersectional alliance of feminists from Japanese ex-colonies in East Asia, the former colonial power Japan, and other societies, such as Australia, Germany, and the USA. This long-term feminist justice movement has campaigned for an apology and compensation from the Japanese government, as well as for recognition of “comfort women‘s” suffering and of sexual violence in war in cultural memory. Through researching this justice movement from a processual intersectionality perspective, this paper shows that it gained power and legitimacy from reflecting and working on its internal intersectional inequalities. This included reflecting on the class hierarchies between many former “comfort women”, who had power of definition, and intellectual feminist activists, as well as on the postcolonial divide between former Japanese colonies and the former colonial power Japan, leading it to develop horizontal cooperation and practices. Following an overview, the paper outlines the movements in South Korea, Japan, and Germany, and highlights the different postcolonial constellation between East Asia and Germany, the main actors, and their aims. While the Japanese government rejected the justice movement‘s demands and the right wing mobilised against it, has been able to influence cultural memory to widely recognize sexual violence in war and the dignity of the “comfort women”.

Keywords: „comfort women“, gender violence / war, postcolonial justice movement, intersectional solidarity, transnational feminism

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Bibliographie: Lenz, Ilse: Die Gerechtigkeitsbewegung für die „Trostfrauen“ in intersektionaler postkolonialer Sicht, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, Nr. 169+170 (1-2023), S. 91-115.
https://doi.org/10.3224/peripherie.v43i1.05

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Literaturhinweise