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Zwischen Nakba, Shoah und Apartheid. Nachdenken über Komplizität und Erinnern

Heidi Grunebaum

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Abstract


Zusammenfassung

Die Autorin setzt sich mit persönlicher Verstrickung in drei grundlegende Katastrophen des 20. Jahrhunderts auseinander, die zwar klar voneinander zu trennen sind, dennoch aber miteinander in Beziehung stehen. Diese Wechselbeziehungen zeigt die Autorin beispielhaft an entscheidenden Episoden ihrer eigenen Lebensgeschichte sowie der Erfahrungen ihrer Familie auf. Ihre jüdisch-südafrikanische Herkunft ist Anstoß, den Überresten eines palästinensischen Dorfes nachzugehen, das heute unter dem „Südafrikanischen Wald“ in Israel begraben liegt, für den sie als Kind einmal Geld gesammelt hat; dieser familiäre Zusammenhang führt sie ferner in die oberhessische Kleinstadt, aus der ihrer Großmutter gerade noch die Flucht vor dem Terror der Nationalsozialisten gelungen ist; und sie ist schließlich der leeren Fläche in Kapstadt konfrontiert, wo sich einmal das lebensvolle Viertel District Six befand, in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Wohnviertels. Die früheren Einwohner*innen wurden vom Apartheidsregime deportiert. Allen drei Orten ist gemeinsam, dass das, was ihnen hier Bedeutung gibt, durch Gewalt und Verwaltungshandeln ausgelöscht wurde. Durch die Darstellung ihrer eigenen Erfahrung, zu der auch die Arbeit an einem Film über die drei Orte gehört, zeigt die Autorin Möglichkeiten auf, mnemonische Spuren auf persönlicher Ebene und darüber hinaus aufzufinden. Zugleich verweist sie auf die Verstrickung in Komplizität durch die hier angesprochenen Prozesse, mit der sich jegliche ernsthafte Auseinandersetzung konfrontiert sieht. Diese Positionierung steht im Gegensatz zu vereinfachenden und destruktiven Reaktionen auf die Problematik von Komplizität und Komplexität, von Ethnonationalismus und Identitätspolitik.

Schlagwörter: Erinnerungspolitik, Palästina, Shoah, Apartheid, Identität

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Between Nakba, Shoah and Apartheid: Reflections on Complicity and Memory

Abstract

This paper addresses personal implication into three fundamental catastrophes of the 20th century. While these are disjunctive, they are nevertheless interconnected. Such interconnection is demonstrated and exemplified here by germane episodes of the author’s own life and family experience. Her Jewish South African background lets her probe into the remnants of a Palestinian village buried beneath a “South African” Forest in Israel, for which she once raised money as a child; brings her to the small town in Upper Hesse whence her grandmother made a narrow escape to South Africa from Nazi terror; and confronts her with the blank space of what once was Cape Town’s sprawling District Six which lies in the vicinity of where she lives and from where the inhabitants were deported by the Apartheid regime. All three spaces have in common that what makes them important in this reflection has been obliterated by force and political fiat. In recounting her own experience, including the making of a film on the three contexts, the author traces ways to retrieve mnemonic traces, on a personal level and beyond. At the same time, she demonstrates entanglements of complicity in the processes addressed that any serious treatment has to confront. Such engagement is set against the simplistic and destructive answers to complicity and complexity, ethno-nationalism and identity politics.

Keywords: multidirectional memory, Palestine, Shoah, Apartheid, identity

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Bibliographie: Grunebaum, Heidi: Zwischen Nakba, Shoah und Apartheid. Nachdenken über Komplizität und Erinnern, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, 2-2020, S. 391-408.
https://doi.org/10.3224/peripherie.v40i3-4.10

Literaturhinweise