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Bodies in pain – Gewalt an sexuell „devianten“ männlichen und Transgender-Körpern im kolonialen Indien

Manju Ludwig

Volltext: PDF

Abstract


Zusammenfassung

Der koloniale Staat in Britisch-Indien intervenierte auf vielseitige Weise in die Leben sexuell „devianter“ männlicher und nichtbinärer kolonialer Subjekte und übte dabei ein beträchtliches Maß an körperlicher und epistemischer Gewalt aus. Der Beitrag stellt einige dieser Interventionen dar, um die historischen Verknüpfungen zwischen männlicher sexueller und nichtbinärer geschlechtlicher „Abweichung“ und staatlicher Gewalt aufzuzeigen. Dafür untersucht er zuerst die Doppelmoral des kolonialen Rechtssystems in der Strafverfolgung sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen: Während heterosexuelle Gewalt strafrechtlich verfolgt werden konnte, war dies bei homosexuellen Vergewaltigungen nicht möglich. Zum zweiten betrachtet er das Gesetz zur Überwachung der sogenannten „kriminellen Stämme“ aus dem Jahr 1871, das die Verfolgung und medizinische Klassifizierung von „Eunuchen“, also von Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität, ermöglichte und deren Leben gewaltsam einschränkte. Zuletzt wirft er einen Blick auf die Welt des kolonialen Strafgefangenenlagers auf den Andamanen, wo koloniale Theorien über die gewalttätigen Neigungen sexuell „devianter“ Männer formuliert wurden und mit verschiedenen Formen der körperlichen Züchtigung experimentiert wurde. Die historische Betrachtung zeigt auf, dass der koloniale Diskurs über männliche sexuelle „Devianz“ stark auf der Terminologie der Gewalt aufbaute, gleichzeitig aber gewaltförmige Einschnitte in die Leben und Körper der Betroffenen verursachte.

Schlagwörter: koloniales Rechtssystem, Eunuchen, Vergewaltigung, Sexualstraftaten, Transgender, Gewalt

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Bodies in Pain: Violence and Sexually ‘Deviant’ Male and Transgender Bodies in Colonial India

Abstract

Through analysing various instances when and how the colonial state intervened in the lives of sexually ‘deviant’ male colonial subjects, this article interrogates the historical entanglement of male and transgender sexual ‘deviance’ with state violence. To explore the ambivalent nature of the colonial constellation and its manifold outcomes, the article first shows how colonial legal regimes created a double standard in their prosecution of non-consensual sexual relationships by negating the possibility of homosexual rape while affirming the occurrence of heterosexual rape. Secondly, the article broaches the issue of the inclusion of so-called ‘eunuchs’ into the 1871 Criminal Tribes Act and the resulting policing and medical regime that violently disrupted the lives of the individuals concerned. Finally, the article gives insight into the world of colonial prisons and penal settlements, in which colonial theories about the violent inclinations of sexually ‘deviant’ men were formed while the colonial state itself experimented with modes of punishment, including forms that mimicked sexual violence and left the traces of violence on the bodies of the alleged ‘deviants’. These examples illustrate how, on the one hand, colonial discourses about male sexual ‘deviance’ depended heavily on the terminology of violence, and, on the other hand, created violent disruptions for the people thus labelled.

Keywords: colonial legal system, eunuchs, rape, sexual crime, transgender, violence

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Bibliographie: Ludwig, Manju: Bodies in pain – Gewalt an sexuell „devianten“ männlichen und Transgender-Körpern im kolonialen Indien, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, 1-2020, S. 125-146.
https://doi.org/10.3224/peripherie.v40i1-2.07

Literaturhinweise