Open Access Freier Zugang (Open Access)  Eingeschränkter Zugriff Zugang für Abonnent*innen oder durch Zahlung einer Gebühr

Brüchige Allianzen. LSBTIQ Aktivismen im Kontext der intersektionalen und dekolonialen Praxis der südafrikanischen Studierendenbewegung

Antje Daniel

Volltext: PDF

Abstract


Zusammenfassung

Am 9.3.2015 bewarf Chumani Maxwele die Statue von Cecil Rhodes am Universitätsgelände der University of Cape Town mit Fäkalien. Aus dem Unmut gegen die Präsenz des Kolonialisten Rhodes an der Universität und damit aus der Kritik an dieser diskriminierenden Erinnerungskultur entwickelte sich eine der größten sozialen Bewegungen Südafrikas seit der Überwindung der Apartheid. Die Studierenden forderten mit dem Rhodes Must Fall und später mit Fees Must Fall den freien Zugang zur tertiären Bildung und einen universitären Raum jenseits von Diskriminierung und Rassismus. Dekolonisierung und Intersektionalität waren dabei zwei zentrale Schlagworte für das Verständnis der Unrechtserfahrungen der Studierenden und zugleich fassten sie die multiplen Forderungen der Studierenden zusammen. Die vielfache Zuschreibung dessen was Dekolonisierung und Intersektionalität bedeuten, ermöglichte es, Allianzen zwischen unterschiedlichsten Studierenden zu bilden und auch jene Studierenden, wie die LSBTIQs zu integrieren, welche aufgrund ihrer mehrfachen Diskriminierung häufig ausgeschlossen bleiben. Im Protestverlauf erlebten jedoch LSBTIQs Studierende vermehrt Diskriminierung und Ausschluss. Geschlechterpositionen wurden zum Streitpunkt und stellten die Allianzen infrage. Was mit einer geteilten Forderung von Dekolonisierung und Intersektionalität begann und damit mit dem Streben nach einem herrschaftsfreien Raum, der Diskriminierung und Rassismus überwindet, endete in der Reproduktion von Ungleichheit und der Herausbildung von Machtpositionen. Allianzen brachen auf, trugen zur Zersplitterung der Studierendenbewegung bei und ließen Gegenproteste entstehen, welche die herrschaftskritischen Proteste in ihrer Reproduktion von Ungleichheit hinterfragten. Vor dem Hintergrund der Studierendenbewegung wird die Brüchigkeit von Allianzen deutlich ebenso wie Notwendigkeit, analytisch den Protestverlauf zu analysieren, denn erst dieser zeigt das Entstehen von Allianzen einerseits sowie von Macht- und Exklusionsdynamiken andererseits.

Schlagwörter: Südafrika, Protest, Student*innenbewegung, LSBTIQ, Allianzen

-----

Fragile alliances. LGBTIQ activism in the context of the intersectional and decolonial practice of the South African student movement

Abstract

On March 9, 2015, Chumani Maxwele threw faeces at the statue of colonialist Cecil Rhodes at the University of Cape Town. Out of discontentment about the presence of the statue of Rhodes at the university and the critique of this discriminatory memory culture, one of the largest social movements since the end of apartheid in South Africa emerged. With Rhodes Must Fall and later with Fees Must Fall, students demanded free access to tertiary education and a university space free of discrimination and racism. Decolonisation and intersectionality were two key concepts for understanding the students’ experiences of injustice and summarised the students’ multiple demands at the same time. The varying meanings of decolonisation and intersectionality ensured that alliances were created between different students, including LGBTIQs students, who experience multiple forms of discrimination and often remain excluded. However, in the course of the protest, LGBTIQ students increasingly experienced discrimination and exclusion. Gender positions became contested and challenged alliances. What started with a shared demand for decolonisation and intersectionality, and a striving for a non-hierarchical space that overcomes discrimination and racism, ended in the reproduction of inequality and the development of positions of power. Alliances broke up, contributing to the fragmentation of the student movement and the emergence of counter-protests, which questioned the power critical position of the students’ protests and their reproduction of inequality. Therefore, against the background of the student movement, the fragility of alliances and the need to analyse the course of the protest becomes obvious. Indeed, only through analysing the course of protests can the emergence of alliances, on the one hand, and the dynamics of power and exclusion, on the other hand, be revealed.

Keywords: South Africa, protest, student movement, LGBTIQ, alliances

-----

Bibliographie: Daniel, Antje: Brüchige Allianzen. LSBTIQ Aktivismen im Kontext der intersektionalen und dekolonialen Praxis der südafrikanischen Studierendenbewegung, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, 1-2020, S. 102-124. https://doi.org/10.3224/peripherie.v40i1-2.06


Literaturhinweise