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Politikverdrossenheit ohne Ende? Zur Krise der deutschen Parteiendemokratie

Frank Decker

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Abstract


Zusammenfassung

Die Rede von einer Krise der Parteien und der Parteiendemokratie ist nicht neu. Sie kann an den immer gleichen Buch- und Aufsatztiteln abgelesen werden kann, in denen das Thema in regelmäßigen Abständen aufbereitet wird. Für die siebziger Jahre seien hier stellvertretend der Band von Dittberner/Ebbighausen (1973), für die achtziger Jahre Krockow/Lösche (1986) genannt. Von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre erlebte die Debatte einen neuen Höhepunkt. War der Ausstoß in den früheren Krisenperioden noch bescheiden, ergoss sich jetzt eine wahre Flut von journalistischen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf das Publikum, von denen die meisten den Begriff der Parteien- oder Politikverdrossenheit im Titel führten (vgl. den Literaturüberblick bei Arzheimer 2002). Die rechts- und politikwissenschaftlichen Beiträge spiegelten dabei den Methodenpluralismus der Disziplinen wider; sie reichten von der normativ aufgeladenen Streitschrift (z.B. von Arnim 1993) bis hin zur nüchternen quantitativ-empirischen Analyse (z.B. Pickel/Walz 1997), wobei sich der politikwissenschaftliche Mainstream um einen mittlere Position bemühte (z.B. von Beyme 1994). Die Diskussion blieb nicht ohne Konsequenzen. Sie nötigte die Parteien zu einer plebiszitären Öffnung der Vermittlungsstrukturen, um der Kritik Wind aus den Segeln zu nehmen. Die flächendeckende Einführung der Volksgesetzgebung in den Ländern, die Reform des Wahlrechts und der Ratsverfassungen in den Kommunen und der Ausbau der Basisdemokratie in den Parteien selbst durch Urwahlen und Mitgliederentscheide müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden (Scarrow 1997). Die politische Klasse wollte mit ihrer Hilfe einem weiteren Ansehensverlust vorbeugen. Die Reformen führten allerdings weder zur Selbstentmachtung der Parteien, noch konnten sie einen nennenswerten Anstieg der Partizipationsbereitschaft bewirken. In der nachfolgenden Darstellung sollen nach einem einleitenden Blick auf die äußeren Erscheinungsformen des Parteiensystemwandels (1) und dessen unterschiedlichen Verlauf in West- und Ostdeutschland (2) die Ursachen der Vertrauenskrise systematisch herausgearbeitet werden. Diese reichen von der gesellschaftlichen Entwurzelung der Parteien (3) über die gestiegenen Anforderungen des Regierens (4) bis hin zur „Belagerung“ der Politik durch die Medien (5) und die nur schwer vermittelbare Selbstprivilegierung der politischen Klasse (6). Abschließend werden mögliche Auswege aus der Vertrauenskrise erörtert (7). In den Mittelpunkt rückt dabei der gerade jetzt wieder aktualisierte Vorschlag einer plebiszitären Ergänzung des Grundgesetzes (8).

Schlagwörter: Parteien, Politikverdrossenheit, Volksgesetzgebung, Basisdemokratie, Urwahlen


Literaturhinweise