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Zwischen „bravem Mädchen“ und „gebildeter Dame“. Die Konstruktion von Weiblichkeit in den Büros der chemischen Industrie während des Ersten Weltkrieges

Anna Horstmann

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Abstract


Zusammenfassung

Der Erste Weltkrieg wäre ohne die Unterstützung der Kriegsfront durch die weiblich geprägte Heimatfront und die dortige Rüstungsproduktion nicht zu führen gewesen. Gleichzeitig führte er jedoch zu einer erneuten Verfestigung der Geschlechtergrenzen. Dieses Spannungsverhältnis wird anhand einer qualitativen Mikrostudie am Beispiel des Chemieunternehmens „Th. Goldschmidt AG“ aus Essen analysiert. Im Vordergrund steht die Frage nach den sich neu eröffnenden Handlungsspielräumen für weibliche Büroangestellte durch den Ersten Weltkrieg sowie die Konstruktion von Geschlecht vor der Folie des Krieges im Kontext des Fallbeispiels. Der Erste Weltkrieg zeigt sich in der Analyse nicht als der Schrittmacher der Emanzipation, für den er in der Forschung lange gehalten wurde, er wirkte aber im Büro bei Goldschmidt für den Bereich der angestellten Frauen als Beschleuniger langfristiger Modernisierungsprozesse. Im Unternehmen erlangten weibliche Büroangestellte, bedingt durch die Zwangssituation des Krieges, durch Kompetenz, Leistung, Persönlichkeit und Führungsfähigkeit Anerkennung auch jenseits geschlechtlicher Zuschreibungen, sodass sich die Geschlechtergrenzen verschoben und Einstellungsmuster änderten.

Schlüsselwörter: Geschlechtergeschichte, Frauenerwerbsarbeit, Erster Weltkrieg, Chemieindustrie, Weibliche Büroangestellte, Geschlechterverhältnis

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Between “good girl” and “educated lady”. The construction of femininity in offices in the chemical industry during World War I

Summary

World War I would have run a different course had it not been for the femaledominated home front which supported the war front by producing armaments. However, at the same time World War I led to a renewed hardening of gender boundaries. This tension is analyzed on the basis of a qualitative micro study using the example of the chemical company Th. Goldschmidt AG from Essen. The article focuses on investigating, in the context of this specific case example, what new scope for action female office staff had – as well as on how gender was constructed against the backdrop of the war. The analysis shows that World War I does not present itself as the pacemaker for emancipation which academics long held it to be. However, the war functioned as a mediator of long-term modernization processes with regard to female employees at Th. Goldschmidt AG. In this new situation during and also on account of the war, the company’s female office workers gained recognition for their competence, performance, personality and style of leadership – beyond genderrelated attributions. Thus, gender boundaries shifted while attitudes also began to change.

Keywords: gender history, women’s employment, World War I, chemical industry, female office workers, gender relations

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Bibliographie: Horstmann, Anna: Zwischen „bravem Mädchen“ und „gebildeter Dame“. Die Konstruktion von Weiblichkeit in den Büros der chemischen Industrie während des Ersten Weltkrieges, GENDER - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 2-2019, S. 86-102. https://doi.org/10.3224/gender.v11i2.07


Literaturhinweise