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Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch als Austragungsort transnationaler Kämpfe um die Ahndung sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten

Karina Theurer

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Abstract


Leseprobe
Leseprobe 2

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Zusammenfassung

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Ahndung geschlechtsbezogener und sexualisierter Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Deutschland. Im Januar 2022 wurde im weltweit ersten Völkerstrafverfahren zu Folter in syrischen Haftanstalten ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter vom Oberlandesgericht Koblenz wegen sexualisierter Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Dieses Strafverfahren ist aus feministischer juristischer Perspektive ein Meilenstein: Erstmals wurde der diesbezügliche Straftatbestand des Völkerstrafgesetzbuchs (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB) erfolgreich in ein laufendes Verfahren eingebracht und der Angeklagte auch tatsächlich dafür verurteilt. Zudem vertrat die Bundesanwaltschaft eine dezidiert völkerrechtsfreundliche Auslegung des Straftatbestands der sexuellen Nötigung. In dieser Klarheit und Eindeutigkeit wurde diese Auslegung bis dahin eher von einer Minderheit feministischer und intersektional denkender Jurist*innen vertreten. Wird Recht als Verdichtung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse begriffen, könnte das Koblenzer Verfahren einen Wendepunkt darstellen: weg von Strafbarkeitslücken im Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und hin zu einem nationalrechtlichen Völkerstrafrecht, das die Ermittlung und Ahndung aller sexualisierten und geschlechtsbezogenen Straftaten ermöglicht, die nach dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs strafbar sind.

Schlagwörter: Völkerstrafgesetzbuch, sexualisierte Gewalt/geschlechtsbezogene Gewalt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, transnationale Normgenerierung, feministische Rechtswissenschaft

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The German International Criminal Code as a Site of Transnational Struggles over the Punishment of Sexualised Violence in Armed Conflicts

Abstract

This article deals with the prosecution of sexual and gender-based violence as crimes against humanity in Germany. In January 2022, in the world’s first criminal trial on torture in Syrian detention centers, a former intelligence officer was convicted of sexual violence as a crime against humanity by the Higher Regional Court in Koblenz. From a feminist legal perspective, this trial is a milestone: for the first time, the relevant criminal legal norm of the German Code of Crimes against International Law (Section 7 (1) No. 6 CCAIL) was successfully introduced into an ongoing trial and the defendant was convicted of the crime. In addition, the Federal Prosecutor’s Office adopted a decidedly pro-international-law interpretation of the criminal offense of “sexuelle Nötigung” (sexual coercion) contained in Section 7 (1) No. 6 CCIL. Until then, this interpretation had been advocated for in this clarity and unambiguity only by a minority of feminist and intersectional lawyers. If law is understood as a condensation of societal power relations, the Koblenz proceedings could represent a turning point: Away from criminal liability gaps in the German Code of Crimes against International Law (CCAIL) towards a German criminal law that enables the investigation and punishment of all sexual and gender-based crimes that can be investigated and prosecuted under the statute of the International Criminal Court.

Keywords: International Criminal Code, sexual violence/gender-based violence, crimes against humanity, transnational norm generation, feminist jurisprudence

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Bibliographie: Theurer, Karina: Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch als Austragungsort transnationaler Kämpfe um die Ahndung sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten, Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 2-2022, S. 41-56. https://doi.org/10.3224/feminapolitica.v31i2.04

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Literaturhinweise