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Relationale Demokratie. Das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip und gerechte Staatlichkeit in Deutschland

Cara Röhner

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Abstract


Zusammenfassung

Trotz 100 Jahre Frauenwahlrecht hält die Unterrepräsentation von Frauen in den Parlamenten und anderen staatlichen Institutionen weiterhin an. In der Verfassungswissenschaft wird die Unterrepräsentation von Frauen jedoch nicht zu den relevanten demokratischen Defiziten gezählt, sie bleibt schlicht unerwähnt. Dieser Befund einer De-Thematisierung folgt aus dem individualisierenden Demokratieverständnis des liberalen Repräsentationsmodells. Dieses begreift Staatsbürger*innen als freie und gleiche Rechtssubjekte unabhängig von ihrer sozialen Verortung. Eine solch abstrakt-formale Perspektive bietet jedoch keinen Maßstab für gerechte Staatlichkeit und hat dementsprechend kein Vokabular für die Thematisierung von gesellschaftlichen Achsen der Ungleichheit entwickelt. Dies führt dazu, dass eine individualisierende Interpretation des Demokratieprinzips dominiert, die faire Repräsentation durch gesetzliche Inklusionsmechanismen – Quoten, paritätische Wahlgesetze, Wahlrechtsreformen – als Beeinträchtigung anstatt als Verwirklichung des Demokratieprinzips erscheinen lässt. Dieser herrschenden Perspektive sollen drei relationale Ansätze entgegengesetzt werden: Anne Phillips Politik der Präsenz, Blanca Rodríguez-Ruiz’ und Ruth Rubio-Maríns paritätische Demokratie und Silke Ruth Laskowskis effektive Einflussnahme. Mit diesen lässt sich eine relationale Interpretation des Demokratieprinzips als Basis gerechter Staatlichkeit entwickeln. Diese bietet ein Interpretationsrepertoire, um die politischen Parteien gesetzlich auf eine geschlechtergerechten Nominierung für alle staatlichen, nicht nur die legislativen, Ämter zu verpflichten.

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Relational Democracy. The Constitutional Principle of Democracy and Fair Statehood

Abstract

After 100 years of women’s right to vote, women are still underrepresented in parliaments and other state institutions. Though, the German constitutional law literature counts the underrepresentation of women not as a relevant democratic deficit. This lack of interest roots in an individualistic conception of democracy as part of the liberal model of representation. This perceives citizens as free and equal subjects independent of social relations and has, thus, neither developed any criteria for fair statehood nor for addressing social inequalities in legal interpretation. In consequence, the dominant individualistic interpretation of the democratic principle assesses fair representation through institutional mechanisms – quotas, parity legislation, reforms of the electoral system – as an illegitimate interference instead of the realization of the democratic principle itself. This hegemonic perspective can be contrasted with relational approaches: Anne Phillips’ politic of presence, Blanca Rodríguez-Ruiz’s and Ruth Rubio-Marín’s parity democracy model and Silke Ruth Laskowski’s effective exertion of influence. With these approaches one can develop a relational interpretation of the democracy principle as a basis for fair statehood. This can be used to legally oblige the political parties to nominate both genders equally to all, not only legislative, state offices.

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Bibliographie: Röhner, Cara: Relationale Demokratie. Das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip und gerechte Staatlichkeit in Deutschland, Femina Politica - Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 2-2018, S. 40-53. https://doi.org/10.3224/feminapolitica.v27i2.04


Literaturhinweise