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Politische Krisentheorien und die Renaissance von Konjunkturprogrammen

Tanja Klenk, Frank Nullmeier

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Abstract


Zusammenfassung

Die Frage, in welchem Maße der Staat ökonomische Krisen bewältigen kann, wurde Anfang der 1970er Jahre im Rahmen politischer Krisentheorien diskutiert. Politische Krisentheorien, insbesondere vertreten von Jürgen Habermas und Claus Offe, lösten sich aus einer rein ökonomischen Betrachtung von Wirtschaftskrisen. Kernthese der politischen Krisentheorien ist, dass der Staat bei der Bewältigung ökonomischer Krisen über eine erstaunliche Handlungsfähigkeit verfügt. Das staatliche Krisenmanagement schafft aber zugleich neue – jetzt genuin politische – Krisenpotentiale. Politische Krisen können als Outputkrisen (Mangel an administrativer Steuerungsfähigkeit – Rationalitätskrisen) oder als Inputkrisen (fehlende Massenloyalität – Legitimationskrisen) auftreten. Der folgende Beitrag greift die politische Krisentheorie der 1970er Jahre auf und entwickelt sie weiter. Drei Dimensionen potentieller staatlicher Krisenhaftigkeit werden unterschieden: eine Krise der Steuerungsfähigkeit des politisch-administrativen Systems gegenüber der Ökonomie, eine Krise der staatlichen Legitimation, sowie eine Krise der Selbstorganisationsfähigkeit des politisch-administrativen Systems. Am Beispiel der Konjunkturpakete I und II wird gezeigt, dass es dem Staat nicht an Steuerungsfähigkeit gegenüber der Wirtschaft und einem funktionsfähigen Krisenmanagement mangelt. Allerdings lässt sich die Handlungsfähigkeit nur mittels ‚Politiksimplifizierung‘ – d.h. durch den Verzicht auf komplexe politische Zielsetzungen und die Ausklammerung kausaler Bezüge – aufrechterhalten. Der Erfolg wird zudem erstritten auf Kosten der Selbstorganisationsfähigkeit des Staates. Mittelfristig ist eine Desorganisation des Staats- und Regierungsapparates zu erwarten.

Schlagworte: Politische Krisentheorie, Steuerung, Legitimation, Finanzmarktkrise, Konjunkturprogramme

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The Return of the Economic Stimulus Packages – The Return of the Political Theory of Crises? Revisiting Political Crises Theories

Abstract

In the 1970s, when the states faced the first global financial crisis after World War II, the political crisis theory evolved, with Jürgen Habermas und Claus Offe as their main proponents. The main argument of the political crisis theory is that the state is able to cope with financial crises – but only at the expense of a political crisis. A successfully managed economic crisis is followed either by a crisis of rationality (due to poor administrative governance) or by a crisis of legitimacy (due to lacking mass loyalty). The aim of the paper is twofold: First, it wants to make a theoretical contribution to the crisismanagement literature by revisiting and refining the political crisis theories of the 1970s. Three dimensions of possible political crises situations are distinguished: (1) a crisis of the state’s capability to intervene in market developments, (2) a crisis of legitimacy, and (3) a crisis of the state’s means for selforganization. The paper, secondly, presents empirical insights taking the economic stimulus programs (Konjunkturpaket I/ II) of the German government during the global financial crisis 2008/9 as an example. Paper shows that the state’s capacity to manage economic crisis is indeed evident. The success, however, comes along with ‘policy simplification’, e.g. the neglect of complex cause and effect relationships. Moreover, a disorganization of the apparatus of state is to expect in the long run.

Keywords: political crisis theory, crisis management, legitimation, financial crisis, economic stimulus packages

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Bibliographie: Klenk, Tanja/Nullmeier, Frank: Politische Krisentheorien und die Renaissance von Konjunkturprogrammen, dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 2-2010, S. 273-294. https://doi.org/10.3224/dms.v3i2.02

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Literaturhinweise