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Manche denken darüber nach, andere nicht, aber alle müssen mit Zeit leben. Zeiterleben, Zeitdenken und Zeithandeln als Schlüsselelementealltäglicher Lebensführung

Nadine M. Schöneck

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Abstract


Zusammenfassung

Die Auseinandersetzung mit zeitthematischen Abhandlungen sozialwissenschaftlicher Provenienz führt zu dem Eindruck, dass wir in einer Zeit der Beschleunigung – ja: in einer Beschleunigungsgesellschaft – leben und dass Beschleunigung ein wesentlicher Aspekt von Modernisierung ist. Derartige Gegenwartsdiagnosen entstammen jedoch überwiegend theoretischen Überlegungen; systematische empirische Studien hierzu sind hingegen rar. Mit diesem Beitrag ist die Absicht verbunden, die Lücke zwischen theoretischer Analyse und empirischer Untersuchung zu schließen. Forschungsleitend ist die Frage, wie sich Beschleunigung auf die alltägliche Lebensführung und den Lebenslauf von erwerbstätigen Erwachsenen, deren Zeit a priori vergleichsweise knapp bemessen ist, auswirkt. Auf der Grundlage einer Studie, die einem Mixed-Methods-Design folgt, werden vier empirisch konstituierte Typen des Zeiterlebens, Zeitdenkens und Zeithandelns vorgestellt: (1) der reflektierende Zeitgestresste, (2) der egozentrische Zeitsensible, (3) der zufriedene Zeitstrategielose und (4) der robuste Zeitpragmatiker. Diese Typologie lässt erkennen, dass sich Menschen – auch in der Beschleunigungsgesellschaft – in ihrer Weise, Zeit zu erleben, über Zeit nachzudenken und mit Zeit handelnd umzugehen, deutlich unterscheiden. Theorien historischer Beschleunigung, die auf der Makroebene formuliert werden, sollten diese bedeutsamen Unterschiede auf der Mikroebene berücksichtigen. Darüber hinaus wird deutlich, dass ein hoher Grad an Zeitreflexion und (in konventioneller Weise verstandene) Zeitkompetenz nicht notwendigerweise das Leben eines ‚guten Lebens‘ erleichtern. Die Studie trägt somit zur Stärkung der Verbindung von Zeit- und Lebenslaufsoziologie bei.

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Some Reflect on it, Others Don’t, but all Have to Live with Time.Time Experience, Time Concepts and Time Management as Key Elements of Everyday Life

Abstract

Social scientific treatises on time create the impression that we are living in an era of acceleration – if not in an accelerated society – and that acceleration is a crucial aspect of modernization. Yet, such diagnoses are primarily based on theoretical considerations whereas systematic empirical studies are rare. This article aims to bridge the gap between theoretical analysis and empirical investigation. The central research question explores how acceleration impacts on the everyday lives and life courses of employed adults whose time is a priori comparatively restricted. On the basis of findings from a study using a mixed methods design, four types of time experience, time concept and time management are presented: (1) the stressed and reflective type, (2) the egocentric and sensitive type, (3) the contented type without strategy, and (4) the robust and pragmatic type. This typology indicates that people – even in the accelerated society – differ strongly in the ways they experience, think about, and deal with time. Theories claiming a historical acceleration at the macro-level must pay attention to these considerable differences at the micro-level. Moreover, it becomes clear that high degrees of time reflexivity and time competence (in a conventional manner) do not necessarily facilitate living a ‘good life’. This study thus contributes to enhancing the linkage between the sociology of time and life course sociology.


Literaturhinweise