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Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland

Janina Söhn

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Abstract


Zusammenfassung

Aus der Perspektive der soziologischen Lebensverlaufsforschung lassen sich Lebensverläufe als Abfolge sozial anerkannter Aktivitäten, Rollen und Ereignisse in Kerndimensionen wie Bildung, Arbeit und Familie begreifen. In Wohlfahrtsstaaten ist es das Rentenrecht, das geradezu paradigmatisch für dieses Verständnis institutionell eingebetteter Lebensverläufe steht. Erwerbsbiographien werden sprichwörtlich verwaltet, indem Informationen über spezifische Aktivitäten wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit gesammelt und rentenrechtlich bewertet, andere Tätigkeiten dagegen unberücksichtigt bleiben. Diese selektive institutionelle Würdigung von Biographien bestimmt die Höhe der individuellen Renten, ist aber zunächst auf die Aktivitäten in einem Nationalstaat begrenzt. Dies ist jedoch für Migrantinnen und Migranten eine Herausforderung, denn der Erwerb der ersten Rentenanwartschaft erfolgt später als bei Personen ohne Migrationserfahrung. Wie unterscheiden sich die rentenrechtlich anerkannten Erwerbsbiographien und die daraus resultierenden Altersrenten von Zugewanderten im Vergleich zu Einheimischen und untereinander? Welche sozialen Merkmale gehen mit eher günstigen oder eher prekären Verläufen einher? Diese Forschungsfragen beantwortet der Beitrag auf Basis eigener Analysen von längsschnittlichen Daten der Deutschen Rentenversicherung für die Lebensjahre 19 bis 65 der Rentenzugangskohorte des Jahres 2014. Die unterdurchschnittlichen Altersrenten zugewanderter Rentnerinnen und Rentner sind sowohl auf die migrationsbedingten Beitragslücken als auch auf die im Vergleich zu Einheimischen längeren Phasen der Arbeitslosigkeit und niedrigere Gehälter bzw. Beitragszahlungen zurückzuführen. Schließlich wird empirisch gezeigt, dass auch rentenrechtliche Sonderregelungen wie das Fremdrentengesetz für Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus und internationale Sozialversicherungsabkommen die migrationsbedingten Risiken teilweise abfedern und letztere eher den sozioökonomisch besser gestellten Zugewanderten zugutekommen.

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Bibliographie: Söhn, Janina: Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland, BIOS, 1-2016, S. 94-116. https://doi.org/10.3224/bios.v29i1.06

 


Literaturhinweise